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Wie reagieren die DAX30-Konzerne auf den Nachhaltigkeitsboom und wie kommunizieren sie  mit ihren Anlegern zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR) und ESG (Environmental, Social, Governance)? Wie gut setzen sie das Thema in der Praxis um? Hier die Ergebnisse unserer Analyse, die wir gemeinsam mit den Experten von NetFederation erhoben und ausgewertet haben.

Die Erwartungen ändern sich: Von Politik und Wirtschaft wird zunehmend verlangt, sich um Klimakrise, Verlust der Biodiversität und soziale Probleme zu kümmern. Das schlägt sich in den Entscheidungen der Anleger nieder. Wer sein Geld einem Unternehmen anvertraut, will es in guten Händen wissen. Nachhaltigkeit und Unternehmenswert sollen gleichermaßen beachtet und entwickelt werden. Die Auswirkungen der Corona-Krise haben diese Entwicklungen noch verstärkt. Nachhaltige Fonds zeigten sich krisenfest, Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsstrategien blieben trotz starker Wogen im Fahrwasser. Schon 2021 werden nach der  „Global Sustainable Investment Alliance“-Studie der Deutschen Bank mehr als 50%  aller Vermögenswerte ESG-Faktoren enthalten. 

Wie aber kommunizieren die Investor Relations (IR)-Abteilungen mit den Anlegern? Was bieten sie auf ihren Webseiten und sonstigen digitalen Angeboten. Insgesamt gilt: Die meisten Unternehmen haben in den vergangenen Jahren umfangreiches digitales Know-How aufgebaut. Zahlreiche Informationen werden für Investoren in den unterschiedlichsten Formen und Kanälen bereitgestellt.

Aber wie werden dort, wo Anlageentscheidungen zu treffen sind, Themen rund um Nachhaltigkeit kommuniziert? Hat sie ihren Platz in den Roadshow-Unterlagen? Wie geht man mit begrenztem Raum und kurzer Präsentationszeit um? Wie wirkt sich das auf die Vermittlung der unternehmerischen Nachhaltigkeit aus? Wie wird beispielsweise die Nachhaltigkeitsstrategie in wenigen Zeilen oder Bildern aufgezeigt?

Gegenstand der Studie waren daher die Darstellung des „Nachhaltigen Investments“ auf den IR-Websites sowie der Vergleich mit aktuellen Roadshow-, Analysten- oder Quartalsberichtspräsentationen im 1. Quartal 2020. Die Studie ist eine gemeinsame Arbeit von NetFederation, Köln und sustainable natives, Berlin.

Die digitalen Angebote für Anleger

Die Konzerne kommunizieren digital so, wie sie sich selber verstehen. Corporate Websites sind wie ein Organigramm des Konzerns aufgebaut. Die Nachhaltigkeitsthemen finden sich daher meist in einem eigenen Bereich und werden dort detailliert diskutiert. Fragen wie “ Was bedeutet das für meine Dividende?” oder “ Ist mein Investment langfristig sicher?” werden nicht beantwortet.

Nicht alles läuft in der digitalen Kommunikation rund: Häufig fehlen Kernelemente wie userfreundliche Funktionen, reichweitenstarke Social-Media-Kommunikation und zeitgemäße Mobiloptimierung. Hinzu kommen inhaltliche Defizite wie die Verknüpfungen der Themen.

So spricht beispielsweise nicht einmal die Hälfte (48 %) der untersuchten Unternehmen darüber, wie das eigene Nachhaltigkeitsengagement mit dem Geschäftserfolg zusammenhängt. Zur Nachhaltigkeitsstrategie selbst äußern sich mit 56 % nur wenige mehr. Doch Investoren stellen heute die Frage, wie die Wertschöpfungskette aussieht und wie zukunftsfähig das Unternehmen aufgestellt ist.

Auch im Storytelling für Nachhaltigkeitsthemen wird nicht genutzt, was längst vorhanden ist: Das Querschnittsthema Nachhaltigkeit bietet attraktive Themen für eine Vielzahl von Anspruchsgruppen.  Hinzu kommt Einfallslosigkeit bei den Formaten: Auf manchen Webseiten dominieren Textwüsten und umständlich zu ladende PDF-Dateien. Nutzerfreundliche und via Social Media teilbare Inhalte wie Infografiken, Podcasts oder Videos sucht man auf vielen IR-Seiten vergebens.

Die Roadshow-Unterlagen für Anleger

Die Roadshow-Unterlagen waren oftmals innerhalb der Web-Präsenzen nicht einfach zu finden. Nach Zugriff war das Ergebnis überwiegend ernüchternd:

●       Die Einbindung von ESG-Kriterien in die Geschäftsmodelle wird nicht angesprochen oder explizit kommuniziert.

●       Strategisch wichtige Nachhaltigkeits-Impulse werden in der Investmentidee nicht dargestellt.

●       Prozesse, Produkte und Lieferketten sind für einen „grünen“ Investor nur selten transparent nachgezeichnet.

Auf die Wertentwicklung oder Risikominimierung durch nachhaltige Unternehmensführung wird in den Roadshow-Unterlagen in den meisten Fällen nicht hingewiesen. Doch es geht um Transitions- und Klimarisiken und die Langfristigkeit einer Anlage.

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Nur wenige Unternehmen gehen mit ihren Roadshow-  und Unternehmenspräsentationen auf die Fragen ein, die die Investoren heute umtreiben. So findet man in keiner IR-Unterlage einen Bezug zur Wesentlichkeit. Dabei ist das die Basis für strategische Nachhaltigkeit. Und damit für Investoren hoch relevant.

Auch seit Jahren etablierte und impact orientierte Zielkorridore werden kaum eingebunden: Nur 13 % der untersuchten Unternehmen sprechn die Sustainable Development Goals an, nur 10 % der untersuchten Unternehmen geben an, dass sie sich multinationalen Aktionen angeschlossen haben.

Das Gap zwischen Webseite und Roadshow-Unterlagen

In der Zusammenführung der beiden Untersuchungsperspektiven (IR-Kommunikation auf den Webseiten und IR-Kommunikation in den Roadshow-Unterlagen) wird deutlich, dass ein Gap besteht: Was auf den Webseiten mit einigem Aufwand in Szene gesetzt wird, verschwindet auf den Roadshow-Unterlagen fast völlig. Nur sehr wenige Unternehmen schaffen es, den Ansatz und die Dynamik in die Roadshow-Unterlagen zu übertragen und dort überzeugend – und sei es auch nur in Stichworten – zu präsentieren.

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Daher stellt sich die Frage, woran das liegt? Warum gibt es einen solch eklatanten Unterschied zwischen der Unternehmensdarstellung auf der Webseite und der Unternehmensdarstellung auf den Unterlagen für Anleger? Vermitteln die Roadshow-Unterlagen ein ehrliches Bild des Marktes, weil die Nachhaltigkeitsperformance kein Grund ist, sein Geld in einem Unternehmen anzulegen?

Oder liegt diese Nichtbeachtung der ESG-Aussagen eines Unternehmens darin, dass viele Analysten ESG pro forma ins Portfolio integrieren und ihre Entscheidung auf Basis eines ESG-Ratings treffen? 

Die Ratings der großen Agenturen bieten eine vermeintlich einfache Antwort auf eine komplizierte Frage: Welche Unternehmen sollten in ein Portfolio aufgenommen werden, damit die ESG-Anforderungen eines Investors erfüllt werden?

Dass die Antwort auf diese Frage alles andere als einfach ist, wird deutlich beim Vergleich der Methoden der einzelnen ESG-Rating Anbieter. Dies erklärt auch, warum ein und dasselbe Unternehmen von verschiedenen ESG-Rating Anbieter unterschiedlich bewertet wird. Hinzu kommt, dass oftmals neue Ansätze wie zukunftsfähige Geschäftsmodelle das Nachsehen haben, insbesondere dann, wenn der Rating Anbieter historische Daten als Grundlage nutzt und aktuelle Entwicklungen einfach nicht abbildet und bewertet.

Wollen Unternehmen sich aus dieser Abhängigkeit befreien, dann kann das nur heißen: Setzt Eure Roadshow-Unterlagen sauber auf und nehmt die ESG-Kommunikation wieder selbst in die Hand.

Alle Ergebnisse sowie weitere Einblicke in die Studie erhalten Sie unter  https://www.netfed.de/blog/2020/12/10/neuer-ir-standard-esg-ready-for-sustainable-investing/

Autor: Florian Andrews