Hallo, ich bin Laura, Friend bei den sustainable natives und im folgenden Artikel schaue ich mir die Auswirkungen von Schreckensszenarien vs. Optimismus aus der psychologischen Perspektive an.

Überflutungen in Rheinland-Pfalz und New York, Waldbrände in Griechenland, der Türkei und Russland, das Abklingen des Golfstroms – egal wo man hinschaut, die Medien sind voll mit Nachrichten über Umweltkatastrophen. Das macht vielen zu Recht Angst. Einige hoffen nun, dass wenigstens durch diese erschreckenden Bilder Menschen wachgerüttelt werden und endlich beginnen zu handeln. Aber ist dem so? Welche Wirkung hat das Läuten der medialen Alarmglocken? Hilft Angst wirklich dabei Veränderungen anzustoßen? In diesem Artikel betrachte ich die Wirkung von Angst und Hoffnung in der Kommunikation etwas genauer.

Kurzer Überblick

  1. Künstlicher Optimismus
  2. Gefühle als Treiber des Wandels
  3. Angst und Besorgnis
  4. Schreckensszenarien vs. Selbstwirksamkeit
  5. Lähmende und konstruktive Hoffnung
  6. Fazit: Besorgnis statt Angst und verhaltener Optimismus
  7. Referenzen

1. Künstlicher Optimismus

Lange galt bei Klimawandel- und Nachhaltigkeitsthemen möglichst optimistisch zu kommunizieren und potentielle Kunden, Mitarbeitende und Wählende nur nicht mit Schwarzmalerei zu verschrecken. Die Bedenken hierbei sind, dass bei zu viel Schrecken die Menschen mit Reaktanz reagieren und den Klimawandel aktiv leugnen. Eine Erzählung der „Green Economy” wurde bisher bevorzugt, nach der Produkte nachhaltig hergestellt und Ressourcen geschont würden und bei der jede Person einen Beitrag zum Umweltschutz durch den Kauf grüner Produkte leisten kann. Heute ist klar, dass diese optimistische Kommunikation zumindest nicht schnell genug und nicht ausreichend bei den Menschen gefruchtet hat. Doch wirkt die aktuelle, mediale Angst besser?

2. Gefühle als Treiber des Wandels

Aus psychologischer Perspektive gibt es Vor- und Nachteile sowohl bei „Schreckensszenarien” als auch bei „Hoffnungsmachern”, wenn es darum geht, Menschen für eine nachhaltige, soziale Transformation zu motivieren. 

Beide Ansätze basieren darauf, dass in Menschen bestimmte Emotionen ausgelöst und innerlich kognitiv verarbeitet werden. 

Generell erfüllen Emotionen für uns eine „Relevanzfunktion”: Sie teilen uns mit, ob ein Geschehnis für uns wichtig ist und daher eine Handlung erfordert. Gefühle sind also elementar für uns, um die Flut an Informationen aus unserer Umwelt einzuordnen und beeinflussen daher auch unsere Gedanken und Handlungen maßgeblich.

In den letzten Jahren hat sich die Forschung zu Emotionen und Umweltverhalten stark weiterentwickelt. Dabei wurden auch typische emotionale Reaktionen auf die medialen Schreckensszenarien untersucht, wie zum Beispiel Angst, Schuld, Wut oder auch Scham. In Zusammenhang mit optimistischen Szenarien standen vor allem Hoffnung, Stolz und Freude im wissenschaftlichen Fokus. Einen Ausschnitt dieser Forschung zu den Emotionen Besorgnis, Angst und Hoffnung und ihre Auswirkung auf das menschliche Verhalten möchte ich hier nun etwas genauer betrachten: 

3. Angst und Besorgnis

Besorgnis und Angst sind ähnliche, aber dennoch unterschiedliche Gefühle. Besorgnis wird im Unterschied zur Angst mit mehr Potential zum Handeln beschrieben. Sie wirkt nicht so überwältigend wie Angst. In einer Studie von Smith und Leiserowitz (2013) wurde Besorgnis sogar als stärkster Prädiktor für die Unterstützung von politischen Klimaschutzmaßnahmen identifiziert – noch vor Angst, Wut, Werten und sozio-demographischen Faktoren. Dieses Ergebnis wurde bestätigt und ergänzt von Bouman et al. (2020). In ihrer Studie mit Daten aus 23 europäischen Ländern konnten sie einen signifikanten Einfluss von Besorgnis auf individuelles Mitigationsverhalten nachweisen. Das heißt, dass besorgte Menschen stärker dazu bereit waren, ihr Energieverhalten zu verändern, zum Beispiel Geräte im Standby ausschalten und kurze Strecken zu Fuß zurückzulegen. Allerdings bestand dieser Zusammenhang nur, wenn die besorgten Menschen sich selbst die Verantwortung zum Handeln zuschrieben. In anderen Worten, wenn die Befragten nur besorgt waren, aber nicht das Gefühl hatten, dass es ihre Pflicht ist, einen Beitrag zu bringen, reichte das Gefühl allein nicht aus. Außerdem fanden die Forschenden heraus, dass diejenigen unter den Befragten, die hohe biosphärische Werte hatten (die also die Natur schätzen, auch wenn sie keinen Nutzen für die Menschen brächte) sich mehr um die Zukunft und unsere Umwelt sorgten.

Dass die Differenzierung zwischen Angst und Besorgnis wichtig ist, sehe ich gerade, wenn ich mir die Forschung zum Thema Angst genauer betrachte. Angst auslösende Bilder oder Szenarien wurden vor allem in der Gesundheitspsychologie zur Prävention von Krankheiten, wie zum Beispiel Lungenkrebs, sexuell übertragbaren Krankheiten und Diabetes oder Fettleibigkeit untersucht. Genau wie bei Umweltthemen ist hier das Ziel, das Handeln einzelner zu ändern, um Schaden für die Gesellschaft zu verringern. Im Falle von Rauchenden heißt das: Je mehr Menschen rauchen, desto mehr erkranken an Lungenkrebs und erzeugen große Kosten für das Gesundheitssystem. Je mehr Menschen Auto fahren oder in den Urlaub fliegen, desto mehr CO2 gelangt in die Atmosphäre, was den Klimawandel verstärkt und uns wiederum teuer zu stehen kommt.

4. Schreckensszenarien versus Selbstwirksamkeit

In der Rauchprävention werden Schreckensszenarien schon lange angewandt – eigentlich gegen jede empirische Grundlage, wie Kok und Kollegen (2018) in ihrer Metaanalyse deutlich darstellen. Zu lange wurden quasi-experimentelle Untersuchungen herangezogen, um den Zusammenhang von Angst und Verhaltensänderung zu belegen. Dabei ordneten diese weder die Probanden zufällig ihrer Gruppe zu, noch beinhalteten sie eine Verhaltensmessung. Kok und Kollegen beanstanden auch die Tatsache, dass manche Studien zum Thema einen wichtigen kognitiven Faktor nicht in Betracht zogen: Selbstwirksamkeitserwartung. Denn Kok und Kollegen weisen nach, dass wenn auf Probanden Angst ausgewirkt wird, zum Beispiel durch ein Bild einer Raucherlunge auf einer Zigarettenpackung, diese nur wirkt, wenn die betroffene Person von sich selbst die Erwartung hat, dass sie in der Lage ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Jeder der schon einmal versucht hat, mit dem Rauchen aufzuhören, weiß, dass es oft nicht am Verständnis fehlt, dass Rauchen schlecht ist. Viele scheitern eher daran, die Sucht zu durchbrechen, weil das Verhalten zur Gewohnheit geworden ist. Wenn jemand also keinen Beistand oder sonstige Anleitung dafür hat, das Verhalten zu ändern, wird er oder sie sehr wahrscheinlich scheitern.

Das Gleiche kann für den Klimawandel angenommen werden: Zeigt man viele angstauslösende Bilder (wie von Menschen, die in überfluteten Kellern stehen), wird dies nur dann zu einer Verhaltensänderung in der Bevölkerung führen, wenn diese auch weiß, was sie dagegen tun kann. Weiterhin müssen die Menschen daran glauben, dass sie fähig sind oder dass es ihnen möglich ist, das nötige Verhalten durchzuführen. Viele wissen, dass sie ihr Auto häufiger stehen lassen sollten. Wenn das öffentliche Verkehrsnetz in der Region allerdings nicht gut genug ausgebaut ist, damit eine Person pünktlich und günstig zur Arbeit kommen kann, wird sie es trotzdem nicht tun. Wenn Menschen dann noch nicht mal glauben, dass ihre Handlung eine Auswirkung auf solche negativen Effekte haben wird, müssen bestehende Strukturen so geändert werden, dass Menschen das gewünschte Verhalten leicht durchführen können. Dafür ist politischer Wille nötig.

Es muss darüber aufgeklärt werden, welche Verhaltensänderungen tatsächlich effektiv sind, zum Beispiel der Umstieg auf eine fleisch- und milchproduktarme Ernährung in Abgrenzung zum Recycling. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Politik und ihre Maßnahmen vertrauenswürdiger werden. 

5. Lähmende und konstruktive Hoffnung

Aber welche Möglichkeiten der Kommunikation bestehen noch, außer künstlichem Optimismus und lähmenden Schreckensszenarien? Eine starke positive Emotion, die aktiviert werden kann, um das Handeln von Menschen zu beeinflussen, ist Hoffnung.

Vertrauen in das System und Hoffnung darin, dass es noch nicht zu spät ist, gehen Hand in Hand. Den Effekt von Hoffnung auf das Engagement für den Klimawandel untersucht die schwedische Forscherin Maria Ojala ausführlich. Dabei unterscheidet sie zwischen „konstruktiver Hoffnung“ und „Hoffnung basierend auf Leugnung“ (Ojala, 2012).  

Hoffnung basierend auf Leugnung ist auf ihre Art genauso lähmend wie Schreckensszenarien. Sie ist eine psychologische Ablenkung von der Problematik, die nicht zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den realen Problemen führt (Ojala, 2017).  Diese Form der Hoffnung baut also darauf, dass sich ein Problem von selbst lösen wird und man sein Verhalten dafür nicht ändern muss. So glauben manche Parteien in Deutschland zum Beispiel daran, dass in der Zukunft liegende Erfindungen den Klimawandel abwenden werden, ohne dass dafür gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen notwendig wären.

Konstruktive Hoffnung dagegen zeigt den Menschen, dass eine andere Zukunft möglich ist, unterstützt vertrauensvolle Beziehungen und erleichtert Kollaboration. Dafür benötigt es die Wahrnehmung eines Missstandes, Hunger nach Veränderung und ein klares Ziel. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Fridays For Future“- Bewegung. Ihr „Hunger“, ihr Bedürfnis, ist der Schutz der eigenen Zukunft. Ihr Ziel ist die Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung des Problems und die Umsetzung konkreter Maßnahmen gegen den Klimawandel. Der Weg dorthin ist die massive, ununterbrochene Sichtbarmachung des Problems, also durch Demonstrationen, Plakate und mediale Präsenz. Alles Schritte, bei denen auch die jüngsten Teilnehmer das Gefühl haben einen Beitrag leisten zu können.

Hoffnung kann also einen Einfluss in beide Richtungen haben. Um möglichst ihr positives Potential zu entfalten, muss, laut Ojala, eine kritische emotionale Aufmerksamkeit vorhanden sein, um entsprechend auf negative Emotionen eingehen zu können.

6. Fazit: Besorgnis statt Angst und verhaltener Optimismus

Natürlich gibt es keine einfache Lösung oder simple Herangehensweise für die „richtige“ emotionale Kommunikation, gerade nicht bei umwälzenden Themen wie Klimawandel und die nachhaltige Transformation unserer Gesellschaft. Die Psychologie jedoch zeigt: Unsere Emotionen sind starke Treiber unseres Verhaltens und Grundlage für Reaktionen auf unsere Umwelt. Alle beteiligten Interessengruppen wollen diese nutzen, um ihre Agenda durchzusetzen.
Die aktuelle Forschung kann uns dabei helfen, Emotionen so bewusst und balanciert wie möglich einzusetzen, um unsere Zielgruppe weder zu verschrecken noch in ungerechtfertigter Hoffnung zu wiegen. Es gilt dabei Besorgnis anstatt Angst auszulösen und konstruktive Hoffnung zu fördern. 

Wir sollten Assoziationen in den Menschen wecken, die ihr Verantwortungsgefühl stärken und das Wissen in ihnen festigen, dass sie fähig sind den nächsten Schritt zu tun. 

Ein kleines Beispiel hierfür sind einige Supermärkte, die nun auf den Druck aus der Gesellschaft reagieren und für Verbraucher spürbare Veränderungen anstoßen und gleichzeitig ihre Lieferketten im Hintergrund verändern.

Durch Werbung und Platzierung werden nun biologische, vegane und vegetarische Produkte als nachhaltige, verantwortungsvolle Alternativen angeboten und langfristige Änderungen, zum Beispiel beim Tierwohl, angekündigt. Die Konsumenten erhalten dadurch konkrete Handlungsangebote, um ihr Verhalten zu ändern.

Natürlich ist dies nur ein kleiner Schritt, der nicht einzeln stehen sollte, sonst bleibt er wieder nur Teil der optimistischen „Green Economy“-Erzählung. Doch eine Kette von kleinen Änderungen im Konsumverhalten stärkt das eigene Verantwortungsgefühl und das besagte Wissen, dass Veränderung möglich ist. Die Konsumenten wieder bestärken das Gefühl der Entscheider*innen bei diesen Ketten, dass die Veränderung des Sortiments und das Einführen von Standards in der Lieferkette auch wirtschaftlich tragbar ist, sich positiv auf das Verhältnis von Kund*innen und Marke auswirkt und somit die Selbstwirksamkeit auf Seite des Unternehmens steigert. Das wiederum kann zu weiteren Verhaltensänderungen (“Spillover- Effekt”)  und zur Grundlage von selbstbewussten Forderungen im Kampf gegen der Klimawandel entwickeln, denn wenn sich Unternehmen und einzelne Menschen ändern können, dann gilt das auch für die Gesellschaft.

Bei den sustainable natives versuchen wir diese Veränderung zu unterstützen und anzugehen: In Unternehmen, Organisationen und Institutionen. Wenn Dich unser Nachhaltigkeitsnetzwerk interessiert, informiere Dich hier mehr darüber, wie Du bei uns mitmachen kannst. Wir freuen uns auch, wenn Du unserer Unternehmensseite auf LinkedIn folgst. 

Hast Du ein konkretes Problem und möchtest den Klimawandel in Deinem Unternehmen angehen? Schau‘ Dir unsere Leistungen an oder schreibe uns direkt eine E-Mail über unser Kontaktformular.

7. Referenzen

Bouman, T., Verschoor, M., Albers, C. J., Böhm, G., Fisher, S. D., Poortinga, W., … & Steg, L. (2020). When worry about climate change leads to climate action: How values, worry and personal responsibility relate to various climate actions. Global Environmental Change, 62, 102061.

Kok, G., Peters, G.-J. Y., Kessels, L. T. E., ten Hoor, G. A., & Ruiter, R. A. C. (2018). Ignoring theory and misinterpreting evidence: The false belief in fear appeals. Health Psychology Review, 12(2), 111–125. doi:10.1080/17437199.2017.1415767

Ojala, M. (2012). Hope and climate change: The importance of hope for environmental engagement among young people. Environmental Education Research, 18(5), 625-642.

Ojala, M. (2017). Hope and anticipation in education for a sustainable future. Futures, 94, 76-84.

Smith, N., & Leiserowitz, A. (2014). The role of emotion in global warming policy support and opposition. Risk Analysis, 34(5), 937-948.

Bilder

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