Worauf es ankommt, damit die nachhaltige Transformation gelingt. Ein Kommentar.

Transformation: Bündelung aller Kräfte

Die Weltengemeinschaft und in ihr Unternehmen stehen vor enormen externen Herausforderungen: Der Klimawandel, knapper werdende Ressourcen, der demographische Wandel, Konsumenten, die immer mehr und günstiger konsumieren wollen, die Digitalisierung und nicht zuletzt eine immer größer werdende Flüchtlingsbewegung durch kriegerische Auseinandersetzungen anderswo bestimmen die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und letztendlich auch unserer Wirtschaftsakteure. Die Gesellschaft für Nachhaltigkeit (GfN) bringt die Tragweite und den daraus resultierenden Handlungsbedarf in ihrem Memorandum 2017 treffend auf den Punkt: „Die Menschheit kann die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts mit der heutigen Art des Wirtschaftens nicht bewältigen. Daher muss uns in d en nächsten Jahrzehnten der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelingen. Das sind der Kern und die Triebkraft einer sozial-ökologischen Transformation.“ In Konsequenz formuliert die GfN einen neuen kategorischen Imperativ, damit auch künftig die bis dahin etwa 9 Mrd. Menschen ein gutes Leben führen können. Dieser lautet: „Es ist ein Gebot von Aufklärung, Vernunft und Verantwortung, die Demokratie zu stärken, neue Antworten zu finden und Nachhaltigkeit zu verwirklichen, ohne die großen Errungenschaften der europäischen Moderne zu verspielen, insbesondere die Ideen von Freiheit, Gerechtigkeit und Emanzipation.“

Für eine nachhaltige bzw. sozio-ökologische Transformation gilt es die Kräfte aller – der Politik, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Gesellschaft – zu bündeln. Denn eine solche weitreichende Transformation der Gesellschaft kann nur im Schulterschluss der verschiedensten Akteure auf den Weg gebracht werden. Dies haben auch die Vereinten Nationen, selbst ein Zusammenschluss nationaler Kräfte, erkannt und in den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) als ein übergeordnete s Ziel 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ definiert.

Partnerschaften:

Die Existenz des Nachhaltigkeitsziels 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ der Agenda 2030 verdeutlicht, wie zentral globale Partnerschaften für das Gelingen einer nachhaltigen Transformation sind. Zwei Unterziele des Ziels 17 beschreiben anschaulich die Sinnhaftigkeit gar die Notwendigkeit von Partnerschaften und der Bündelung einzelner Kräfte zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung:

• Unterziel 17.16 „Globale Partnerschaften“: Die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung ausbauen, ergänzt durch Multi-Akteur-Partnerschaften zur Mobilisierung und zum Austausch von Wissen, Fachkenntnissen, Technologie und finanzielle Ressourcen, um die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in allen Ländern un d insbesondere in den Entwicklungsländern zu unterstützen.

• Unterziel 17.17 „Kooperation gesellschaftlicher Akteure“: Die Bildung wirksamer öffentlicher, öffentlich – privater und zivilgesellschaftlicher Partnerschaften aufbauend auf den Erfahrungen und Mittelbeschaffungsstrategien bestehender Partnerschaften unterstützen und fördern.

Das Ziel 17 kann als übergeordnetes Zi el verstanden werden, dass eine Erreichung der anderen Ziele wie „keine Armut“, „kein Hunger“ und „ hochwertige Bildung“ überhaupt erst ermöglicht. Ziel 17 erkennt an, dass eine Nachhaltigkeitstransformation ohne das Zusammenwirken aller nicht zu bewältigen ist. Und so ist es Beweis dafür, dass verstanden wurde, dass eine Nation oder ein Akteur die notwendige Transformation allein nicht voran bringen und bewältigen kann.

Strukturen: neu denken und gestalten

Eine nachhaltige Transformation bedarf , wie oben beschrieben, auf der volkswirtschaftlichen Ebene einer Bündelung aller Kräfte und Kompetenzen. Das gleiche gilt auf der betriebswirtschaftlichen Ebene, denn Unternehmen spielen in der Neuausrichtung der Wirtschaft eine zentrale Rolle . „Gegenwärtig stehen wir erneut vor der dringend notwendigen Weiterentwicklung unserer Wirtschaft und damit vor der Neuausrichtung der bestehenden Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen. Diese Neuausrichtung gelingt nur, wenn wir die Erfahrungen und interdisziplinären Kenntnisse aus verschiedenen Organisationsentwicklungsschulen berücksichtigen und mit der aktuellen Corporate – Social – Responsibility(CSR) – Diskussion verschränken “ , so Prof. Dr. René Schmidpeter, CSR – Experte von der Cologne Business School.

Die Antwort auf die Frage der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen , die in der nachhaltigen Transformation liegt, wird durch eine Organisationsentwicklung ermöglicht. Denn nur dort, wo Menschen ein en hohe n Grad an Freiheit sowie durch Teilhabe an Sinnhaftigkeit erfahren und Verantwortung tragen können, entsteht ein Rahme n für innovatives und transformatives Handeln.

Frédéric Laloux, ehemaliger Unternehmensberater und McKinsey – Partner, skizziert in seinem Buch „Reinventing Organizations“ eine grundlegend neue Form der Organisation anhand von 12 Beispielen, die in der Organisationsentwicklung nach neuen Wegen suchen, wie Menschen miteinander sinnstiftend zusammenarbeiten können. Die von Laloux gezeichnete evolutionäre Organisation stellt einen Teamprozess, sprich eine Bündelung von Kräften und Kompetenzen, in den Vordergrund. Diese kreativen und interdisziplinären Teams werden Unternehmen die notwendige Flexibilität und Schnelllebigkeit für den künftigen Wandel in eine lebenswerte Zukunft ermöglichen. „Unternehmen haben in Zukunft nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie aktuelle Herausforderungen proaktiv annehmen und sozusagen als Innovateure im Dienste der Gesellschaft, immer auf der Suche nach der besseren Lösung bzw. der geeigneten Organisationsstruktur sind“, so fasst es Schmidpeter zusammen.

Mehr Innovateure für die Transformation

An einer nachhaltigen Transformation führt kein Weg vorbei . „[…] We have to act now; the world cannot wait until 7.6 billion people have struggled to reach a new enlightenment”, betont auch der Club of Rome , ein Zusammenschluss von Experten, in seinem jüngsten Bericht mit dem Titel „Come on”. Dieselbe Ungeduld aber auch Notwendigkeit zu handeln, sehen die Vereinten Nationen, die die global gültigen Sustainable Development Goals verabschiedet haben. Wie zentral dabei das Bündeln von Kräften in Partnerschaften ist, unterstreichen sie, indem sie dieser Schlüsseltatsache ein eigenes Ziel widmen. Nun müssen weitere Akteure, allen voran Politiker und Unternehmer, nachziehen. „Eine entscheidende Voraussetzung für die sozial – ökologische Gestaltung der Transformation ist der gestaltende Staat, eine starke Zivilgesellschaft, eine polyzentrische Governance, mehr Demokratie und Beteiligung auf allen Ebenen. Dafür sind politische und rechtliche Leitplanken notwendig, ohne die es keine gute und gerechte Zukunft geben wird “, fordert daher die GfN in ihrem Memorandum.

Vor allem in Unternehmen hat das zur Folge, dass diese sich mit sich selbst – ihrer Art zu wirtschaften und ihrer Art der Zusammenarbeit – auseinandersetzen müssen. Nur durch eine neue Organisationsentwicklung hin zu neuen Unternehmensformen, ist nämlich der notwendige Grad an Demokratie und Beteiligung in Unternehmen realisierbar. Dafür müssen veraltete Unternehmensstrukturen aufgebrochen und Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihr Potenzial in der Bündelung mit anderen auszuschöpfen. Das bedeutet, dass ein Teil der nachhaltigen Transformation die Transformation der Arbeit in Unternehmen sein muss, damit auch künftig Unternehmen die Innovateure der Lösungen für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft von morgen sein können.

Autorin: Marie-Lucie Linde

Marie Linde ist freie Beraterin für Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeits-kommunikation sowie Kutlur- und Change Management.